Selbstverteidigung mit Deutschlands höchstem Schwarzgurt - Goju Ryu meets Shotokan
Hanshi Fritz Nöpel, 9. Dan und Torsten Struwe, 4. Dan, zogen viele Schwarz-, Braun- und Farbgurte zu dem von dem Goju Ryu
Karate Do Dojo FC Dechsendorf und dem Shotokan Dojo SGS Erlangen gemeinsam ausgerichteten Lehrgang. Für den Lehrgang
nahmen einige Teilnehmer auch Fahrtzeiten von über 3 Stunden aus dem Ausland in Kauf. Die Referenten einten nicht nur
Karateka aus verschiedenen Stilrichtungen sondern auch Vertreter aus anderen Budo Sportarten wie JuJitsu. Das machte die
besondere Lern-Atmosphäre dieses Kampfkunst-Lehrgangs aus.
Mit seiner außerordentlich freundlichen und entgegenkommenden Art gelang es Fritz Nöpel, der sich als Karate-Lehrer
statt als Trainer versteht, die lernbegierigen Karateka zu begeistern. Der unternehmungslustige Karatepionier Fritz Nöpel,
der vor 50 Jahren mit dem Fahrrad über den nahen Osten und Südasien bis nach Japan gereist ist und mit einer Japanerin
verheiratet ist, betonte die gemeinsamen Wurzeln aller Karatestile. Er mahnte mittels einiger Anektoden immer wieder zu
den Ursprüngen der Selbstverteidigung nach China zu schauen. Aus Nord- und Südchina ab dem 16. Jhd. nach Okinawa gebracht,
entwickelten sich dort 3 Cluster an hocheffektiven Karatestilen. Allen gemeinsam ist die Absicht, sich notfalls auch ohne
Waffen, an die Art des Angriffs angepasst, verteidigen zu können, egal ob man als Verteidiger klein oder schwach ist.
Bunkai Folge
Der in Deutschland höchstgraduierte Karateka legte dar, dass in der Realität Packen, Greifen, Schubsen, Schlagen und Treten
als Angriffe vorkommen. An anschaulichen Beispielen machte er deutlich, dass bei der Selbstverteidigung effektiv nur aus
einer Nahdistanz heraus mit einer stabilen Beinstellung gekämpft werden kann. Die Chance des Uke in jeder Stilrichtung liegt
im Hineingehen in den Angreifer, genauso wie der Angreifer auf der Straße mit scheinbar harmlosen Tricks versucht in die
Nahdistanz des Opfers zu kommen. Aus dieser „alltäglichen“ realitätsnahen Entfernung heraus hat man naturgemäß die meisten
Techniken und Waffen zur Verfügung; nicht nur der Angreifer, auch der Verteidiger. Nur einen langen Zuki oder Keri kann man
bei der SV selten gebrauchen. Und wenn, dann sollte ein Zuki ohne Spezialkenntnisse keinesfalls auf den Bauch gerichtet
werden. Jedenfalls sollte ein SV-Lehrer in einem SV-Kurs für Neulinge, diesen nie beibringen, chudan zu schlagen.
Als aktive Elemente gehören zur Kampfkunst die geistige Einstellung, die Verteidigungsstrategie und Takitk, die besonnene
schnelle Reaktion, die Wahl der richtigen Konterwaffen, die Wahl der Distanz, der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung
und das Bearbeiten des richtigen Ziels bzw. das kontern auf Atemi-Punkte. Es geht darum, in die richtige Körperregion mit der
richtigen Stelle der offenen oder geschlossenen Hand, des Fußes oder anderer Körperecken im Zusammenhang mit der richtigen
Stellung und des passenden Kiais zu kontern. Wenn es sich ergibt, sind Griffe in die Haut, zwischen die Muskeln, in die
Kleidung, Haare oder Kehle äußerst vorteilhaft. Auch Wurftechniken gehören zum ursprünglichen Karate aller Stile. Griffe,
karatespezifische Hebel und Würfe stellen für die Karateka mit dunklerem Gürtel ein Entwicklungsstadium dar, zu dem sie ihr
Sensei bringen muss. Höhere Kyugrade sollen anders trainieren und auch ein paar „Tricks“ auf Lager haben. Ein Kampf muss
innerhalb von 2 Sekunden entschieden sein. Der Notwehrparagraph erfordert es, besonders von einem Schwarzgurt, dem Ernst
der Lage gemäß abgestuft, ggf. nur mit Hebelketten und Würfen, kontern zu können.
Sensai Nöpel vor der Gruppe
Bei der Analyse der Kata – Bunkai, egal welcher Stilrichtung - auf Greifen, Würfe, Hebel und Schläge ist die vorhergehende
und die nachfolgende Technik incl. der Beinstellungen zu betrachten, Wenn ein 9. Dan all dies so betont, dann sollte man
immer wieder über diese Worte nachdenken und für sich daran arbeiten. Unter der Anleitung der beiden äußerst kompetenten
Referenten wurde im Partnertraining mittels Greif, Hebel-, Schlag-, Tritt- und Wurftechniken Ausschnitte aus der
Selbstverteidigung geübt.
Ein Karatelehrer kann seinen Schülern eine Auswahl an verschiedenen Techniken geben und den Rat, passend zum Alter, Statur
und Größe gewisse Techniken eingehender für sich zu üben. Der Verteidiger muss immer davon ausgehen, dass der Angreifer
schneller und stärker ist und das Überraschungsmoment für sich nutzt.
Mondo in der Pause
Fazit: Viel zu schnell ging ein rundum schöner Lehrgang zu Ende; nicht zuletzt wegen des tiefgründigen Wissens und des
Verständnisses für Kampfkunst bei den Referenten, des schönen zeremoniellen An- und Abgrüßens und der reichhaltigen
Verpflegung in Form eines Buffets. Wir sind sicher, dass wir uns im nächsten Jahr wieder treffen werden. Für die SGS
Erlangen Karate, die 2012 - im chinesischen Jahr des Wasser-Drachens - ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, war dieser Lehrgang
der zweite in einer Serie von 4 Top-Lehrgängen. Es folgen noch viele spannende Karateseminare.
Karl-Heinz Rudolf
SGS Erlangen Karate
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