10 Jahre Goju Ryu in Erlangen - Selbstverteidigung und Bunkai mit Hanshi Fritz Nöpel
Zum 10-jährigen Jubiläum des Karatedojo F.C. Großdechsendorf e.V. zogen Hanshi Fritz Nöpel, 9. Dan, und Torsten Struwe, 4. Dan,
viele Schwarz-, Braun- und Farbgurte am 06.07.2013 nach Erlangen. Für den Lehrgang nahmen einige Teilnehmer auch Fahrtzeiten von
über 4 Stunden aus allen Teilen Deutschlands in Kauf. Das machte die anregende Lern-Atmosphäre dieses Kampfkunst-Lehrgangs aus.
Besonders gefreut hat sich Torsten über die Teilnahme von Corinna und Silvia vom GKD Dortmund, zwei Weggefährtinnen aus der Dortmunder
Zeit, sowie Helmut aus Woltrop, ein ehemaliger Vorstandskollege beim GKD Dortmund.
Mit seiner außerordentlich freundlichen und entgegenkommenden Art gelang es Fritz Nöpel, der sich als Karate-Lehrer statt als Trainer
versteht, die lernbegierigen Karateka zu begeistern. Der unternehmungslustige Karatepionier, der vor 50 Jahren mit dem Fahrrad über
den nahen Osten und Südasien bis nach Japan gereist ist und mit einer Japanerin verheiratet ist, betonte die gemeinsamen Wurzeln aller
Karatestile. Er mahnte mittels einiger Anekdoten immer wieder zu den Ursprüngen der Selbstverteidigung nach China zu schauen. Aus
Nord- und Südchina ab dem 16. Jhd. nach Okinawa gebracht, entwickelten sich dort 3 Cluster an hocheffektiven Karatestilen. Allen
gemeinsam ist die Absicht, sich notfalls auch ohne Waffen, an die Art des Angriffs angepasst, verteidigen zu können, egal ob man als
Verteidiger "klein oder schwach" ist.
Der in Deutschland höchstgraduierte Karateka legte dar, dass in der Realität Packen, Greifen, Schubsen, Schlagen und Treten als
Angriffe vorkommen. An anschaulichen Beispielen machte er deutlich, dass bei der Selbstverteidigung effektiv nur aus einer Nahdistanz
heraus mit einer stabilen Beinstellung gekämpft werden kann. Die Chance des Uke in jeder Stilrichtung liegt im Hineingehen in den
Angreifer, genauso wie der Angreifer auf der Straße mit scheinbar harmlosen Tricks versucht in die Nahdistanz des Opfers zu kommen.
Aus dieser "alltäglichen" realitätsnahen Entfernung heraus hat man naturgemäß die meisten Techniken und Waffen zur Verfügung; nicht
nur der Angreifer, auch der Verteidiger. Nur einen langen Zuki oder Keri kann man bei der SV selten gebrauchen. Und wenn, dann sollte
ein Zuki ohne Spezialkenntnisse keinesfalls auf den Bauch gerichtet werden. Jedenfalls sollte ein SV-Lehrer seinen Schülern einen
Schlag auf den Bauch nie als Selbstverteidigung verkaufen.
Als aktive Elemente gehören zur Kampfkunst die geistige Einstellung, die Verteidigungsstrategie und Takitk, die besonnene schnelle
Reaktion, die Wahl der richtigen Konterwaffen, die Wahl der Distanz, der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung und das
Bearbeiten des richtigen Ziels bzw. das kontern auf Atemi-Punkte. Der Karate-Meister demonstrierte wie früher auf das Konterziel
angepasst die sechs Ji-Hände geformt wurden und ging auf Beispiele aus dem Bubishi ein. Es geht darum, in die richtige Körperregion
mit der richtigen Stelle der offenen oder geschlossenen Hand, des Fußes oder anderer Körperecken im Zusammenhang mit der richtigen
Stellung und des passenden Kiais zu kontern. Wenn es sich ergibt, sind Griffe in die Haut, zwischen die Muskeln, in die Kleidung,
Haare oder Kehle äußerst vorteilhaft. Auch Wurftechniken gehören zum ursprünglichen Karate aller Stile. Auch Hebel und Würfe
zeigen die Kata aller Stilrichtungen. Höhere Kyugrade sollen anders trainieren und auch ein paar "Tricks" auf Lager haben.
Ein Kampf auf der Straße muss innerhalb von 2 Sekunden entschieden sein im Gegensatz zum Sportkarate, wo Kampfrichter Attacken
abbrechen, wenn sie zu gefährlich sind. Der Notwehrparagraph erfordert es, besonders von einem Schwarzgurt, dem Ernst der Lage
gemäß abgestuft, ggf. nur mit Hebelketten und Würfen, kontern zu können.
Bei der Analyse der Kata - Bunkai, egal welcher Stilrichtung - auf Greifen, Würfe, Hebel und Schläge ist die vorhergehende und die
nachfolgende Technik incl. der Beinstellungen zu betrachten, Wenn ein 9. Dan all dies so betont, dann sollte man immer wieder über
diese Worte nachdenken und für sich daran arbeiten. Unter der Anleitung der beiden äußerst kompetenten Referenten wurde im
Partnertraining mittels Greif, Hebel-, Schlag-, Tritt- und Wurftechniken Ausschnitte aus der Selbstverteidigung geübt.
Schlag auf den Bauch nie als Selbstverteidigung verkaufen.
Ein Karatelehrer kann seinen Schülern eine Auswahl an verschiedenen Techniken geben und den Rat, passend zum Alter, Statur und Größe
gewisse Techniken eingehender für sich zu üben. Der Verteidiger muss immer davon ausgehen, dass der Angreifer schneller und stärker
ist und das Überraschungsmoment für sich nutzt.
Fazit: Viel zu schnell ging ein rundum schöner Lehrgang zu Ende. Ich bedanke mich für die Einladung zu den für alle Stile offenen
Breitensport-Lehrgang, gratuliere dem Dojoleiter Torsten Struwe zu seiner geleisteten 10-jährigen Aufbauarbeit, in der er aus
Anfängern mehrere Schwarzgurte hervorgebracht hat und wünsche dem Dojo alles Gute für die nächsten 10 Jahre.
Karl-Heinz Rudolf,
TV Eibach 03
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